Als großes Multisportevent war die European Championships in München in diesem Sommer in aller Munde. ARD und ZDF zeigten unglaublich viele Stunden live von allen dort ausgetragenen Sportarten und so kam auch die Sportart Tischtennis dieses Mal nicht zu kurz.
Doch nicht nur vor den Bildschirmen versammelten sich viele Brandenburger Sportfreunde, um dieses Event zu verfolgen, sondern auch in der Halle sah man einige Zuschauer aus dem Brandenburger Land. Auch der Verfasser dieser Zeilen war als Fotograf vor Ort. Doch im Mittelpunkt dieses Beitrages sollen zwei ehemalige Brandenburger stehen, die als Schiedsrichter in der bayerischen Landeshauptstadt waren und zwei Tage sogar ein gemeinsames Schiedsrichterteam bildeten und gleich mehrere Einsätze hatten. Auf den ersten Blick ist dies nicht unbedingt etwas Besonderes. Doch die Geschichte, die beide Schiedsrichter verbindet, ist eine wirklich schöne Story.

Um wen aber geht es in dieser Geschichte? Zum einen haben wir Steeven Schawe, der heute noch im TTVB ehrenamtlich als Ranglisten-Verantwortlicher der Damen und Herren im LB West aktiv ist. Dabei lebt der 27-Jährige schon seit 9 Jahren in Baden-Württemberg und ist nur noch selten zu Gast in seiner Brandenburger Heimat. Vor 16 Jahren fand bei seinem Heimatverein, dem Ludwigsfelder TTC, die Landesmeisterschaften des Nachwuchses statt. Schon damals war es leider nicht leicht genügend ausgebildete Schiedsrichter dafür zu finden. Daher wurde der damals erst 11-jährige Steeven zu einem Einsatz am Schiedsrichtertisch von seinem Verein gebeten.
Nicht weit entfernt von ihm wohnte Gert Selig, der damals schon als Nationaler Schiedsrichter durch das Land reiste und sogar zum Teil bei internationalen Turnieren als Schiedsrichter im Einsatz war.
So kam Selig, der mittlerweile in Bingen lebt und in Hannover arbeitet, dem Wunsch des TTVB nach, direkt nach der Heimreise von einem internationalen Turnier nach Ludwigsfelde zu kommen, um dort als Schiedsrichter zu helfen. Für Selig war dieses Turnier dann aber auf eigenen Wunsch schnell wieder beendet. Denn nachdem er bereits im 1. Satz seines 1. Matches, dass er bei der Landesmeisterschaft schiedste einem Spieler Gelb-Rot zeigte und zudem dessen Coach mit Gelb verwarnte, war für ihn klar, dass er lieber nicht weitermachen sollte. Zu sehr war er noch von den heißen Matches im Ausland beeinflusst und konnte seinen strengen Blick als internationaler Schiedsrichter zum rücksichtsvollen Unparteiischen für zum Teil Anfänger im Nachwuchsbereich, nicht so schnell wechseln.
Doch genau dieses eine Spiel war es, das Steeven auf Gert aufmerksam werden ließ. Total beeindruckt war der Ludwigsfelder von diesem Internationalen Schiedsrichter.

Noch vor Ort führte Steeven ein persönliches Gespräch mit Gert. Dieser berichtete unter anderem  von seinen Erfahrungen im internationalen Bereich. In diesem Moment dachte sich Steeven: „vielleicht kann ich ja da auch mal hinkommen“.
2 ½ Jahre später machte Schawe den 1. Schritt: Mit einer Ausnahmegenehmigung absolvierte er im 1. Versuch mit nur 14 Jahren die Ausbildung zum Verbandsschiedsrichter. Ausbilder damals war natürlich Gert Selig, den Schawe heute als seinen Ziehvater auf Schiedsrichterebene bezeichnet.
So richtig aufmerksam geworden ist Selig allerdings erstmals auf Schawe, als dieser sich für die Deutschen Meisterschaften im Para-Tischtennis in Rheinsberg im Jahr 2010 als Schiedsrichter anmeldete.
Para-Tischtennis fand schon damals zu wenig Beachtung unter den Schiedsrichtern. Umso mehr freute es Selig, dass der frischgebackene Verbandsschiedsrichter Schawe sich mit seinen 15 Jahren für solch ein Turnier anmeldete. Zu einem gemeinsamen Einsatz kam es aufgrund einer kurzfristigen Absage von Selig zwar nicht, doch morgens am Bahnhof haben sich beide noch gesehen und über das Turnier gesprochen.
Selber zum Schiedsrichter geworden ist Selig übrigens erst durch seine ehemalige Freundin. Sie war Coach beim SV Fichte Baruth und musste eine Trainerweiterbildung bei einem Schiedsrichterlehrgang machen. Selig begleitete sie, machte den Schiedsrichterlehrgang aus Interesse mit und saß 4 Monate später plötzlich schon als Schiedsrichter bei den Deutschen Meisterschaften 2004 in Cottbus am Tisch. „Irgendwann sagte ich dann, okay ein schwarzes Hemd sieht bei meiner Figur nicht so vorteilhaft aus, ich möchte so ein Jackett dazu haben. So kam ich dann dazu, dass ich die Ausbildung zum Nationalen Schiedsrichter gemacht habe. 😉“
Den bisherigen Karrierehöhepunkt hatte Selig mit seinem Einsatz als Schiedsrichter bei den Paralympics in Tokio im Jahr 2021. Aber er strebt noch etwas an: „Wenn Steeven Schawe nun noch die Ausbildung zum Blue Badge absolviert (aktuell ist er White Badge), dann habe ich wirklich alles erreicht, was ich jemals erreichen wollte. Habe ich mir immer doch zum Ziel gesetzt, mindestens einen Sportfreund dazu motivieren und unterstützen, der das gleiche Ausbildungsniveau als Schiedsrichter erreicht wie ich.“

Die Ausbildung zum Verbandsschiedsrichter kann Steeven übrigens jedem empfehlen:
„Nach meinem 1. Einsatz im Alter von 11 Jahren war ich so begeistert vom Schiedsen, dass ich auch ohne Lizenz in den Folgejahren den ein oder anderen Einsatz bei Verbandsranglisten oder Landesmeisterschaften machen durfte. Darüber, dass ich dann bereits mit 14 Jahren die Verbandsschiedsrichterlizenz machen durfte, war ich sehr dankbar und tatsächlich habe ich dort viel Neues gelernt.“
Drei Jahre später hatte Schawe als Jahrgangsbester die Ausbildung zum nationalen Schiedsrichter bestanden und durfte als Belohnung bei den German Open in Bremen bereits Spiele von absoluten Topstars der Szene schiedsen. „Das war gleichzeitig auch das erste internationale Turnier bei dem Gert und ich gemeinsam im Einsatz waren“, erinnert sich Schawe. Dass er dann 2013 aus Brandenburg weggezogen ist, war nicht unbedingt zum Nachteil von Schawe. Hat er doch in seiner neuen Heimat in Baden-Württemberg viel mehr Möglichkeiten hochklassige Einsatzmöglichkeiten als Schiedsrichter zu bekommen, denn Bundesligavereine gibt es dort gleich mehrere.
Wer jetzt denkt, dass für die zwei Brandenburger die internationalen Schiedsrichtereinsätze ein guter Nebenverdienst sind, liegt allerdings falsch. Während man als Schiedsrichter auf Verbands- oder Nationaler Ebene die Reisekosten erstattet und ein kleines Taschengeld für den Einsatz bekommt, müssen Gert und Steeven bei internationalen Einsätzen für die Reisekosten selbst aufkommen. „Hotel und Verpflegung bekommen wir gestellt, doch die Reisekosten können bei Einsätzen im Ausland, besonders wenn es auf andere Kontinente geht, schon sehr ins Geld gehen“, erzählt Selig. Genau diese Reisekosten von mehreren tausenden Euro waren für ihn auch der Grund, warum er die im September und Oktober stattfindenden Weltmeisterschaften in China abgesagt hat.

Für die beiden Schiedsrichter ist und bleibt  es dennoch ein Ehrenamt, welches sie nicht mehr missen wollen. Zu den vielen positiven Seiten seines Hobbys sagt Schawe: „Für mich war als Kind schnell klar, hochklassig werde ich nie spielen. Als Schiedsrichter kann man es allerdings durch ein wenig Engagement und Fleiß schnell schaffen, auch auf nationalen Topevents oder sogar internationalen Turnieren Einsätze zu bekommen. „Außerdem haben wir dabei immer die besten Plätze. 😉“
Selig ergänzt: „Wenn die Halle mit 7000 Zuschauern besetzt ist, die eine Wahnsinns-Stimmung machen, ist das als Schiedsrichter schon was Besonderes. Wer sich jetzt überlegt, vielleicht auch mal die Ausbildung zum Verbandsschiedsrichter zu machen, der könnte Gert Selig evtl. auch persönlich kennen lernen. Denn der 60-Jährige wäre bereit, den TTVB bei einer der nächsten Verbandsschiedsrichterausbildung zu unterstützen und auch einen Einsatz bei den kommenden Landesmeisterschaften kann sich der ehemalige Brandenburger gut vorstellen.

Wir jedenfalls drücken Gert Selig und Steeven Schawe, den Schiedsrichtern mit Brandenburger Wurzeln, für ihre kommenden Einsätze die Daumen und freuen uns natürlich immer, sie bald mal wieder im Brandenburger Land zu sehen. Vielleicht ja sogar als aktiver Schiedsrichter am Tisch. 😉

Text: Johannes Gohlke